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Transformation

Festspielhaus
Hellerau

»Heinle, Wischer und Partner ist nicht nur ein Büro, das plant und baut, sondern ein Büro, das sich bei jedem Projekt fragt: Wie wollen wir leben? Was bewirken wir damit für die Gesellschaft?«
Julian Snethlage, Projektleiter
Heinle, Wischer und Partner Freie Architekten

Kultur entsteht in zeit- und raumspezifischen Kontexten. Dasselbe gilt für Architektur, die, genau wie das Kunstwerk, nicht als isoliertes Gebäude betrachtet werden kann, sondern nur als Teil ihrer Geschichte und Umgebung. Die Kaserne Ost ist seit 1930er Jahren Bestandteil des ursprünglich 1911 entstandenen Gebäudeensembles Festspielhaus Hellerau. Als solcher ist sie verwoben mit der Geschichte eines Ortes, der in den mehr als 100 Jahren seiner Existenz verschiedenen Nutzungsszenarien ausgesetzt war. Das Konzept für die Sanierung und Umgestaltung der Kaserne Ost legt die Transformationsprozesse der Vergangenheit offen und macht sie fruchtbar für eine künstlerische Nutzung. Das Konzept schafft damit eine Verbindung zwischen der Geschichte des Ortes und seiner Zukunft als Produktionsstätte für zeitgenössische Kultur.

1911 - 1935

Originale städtebauliche Situation, Erschließung des Platzes über Ost-West-Achse

1935 - heute

Umgestaltung des Ensembles, Kasernengebäude Ost und West blockieren Ost-West-Achse

ab 2023

Wiederherstellung des Zugangs von Osten in transformierter Form

»In unserem Planungsprozess berücksichtigen wir die verschiedenen Schichten und Spuren eines Ortes. Wir versuchen, die Zugänge zu diesen Geschichten im Gestaltungsprozess wiederherzustellen und gleichzeitig das Haus mit seiner heutigen Nutzung in ein produktives Verhältnis zu bringen.«
Julian Snethlage, Projektleiter
Heinle, Wischer und Partner Freie Architekten

Kontext

Auf dem Gelände des Festspielhauses Hellerau treffen die Bedürfnisse einer zeitgenössischen Kulturproduktionsstätte auf eine bewegte Vergangenheit, die sowohl architektonisch als auch historisch vielfältige Potentiale und Herausforderungen birgt. Das Ensemble des Festspielhauses ist 1911 als Musterbeispiel der Lebensreformbewegung und »Krone« der Gartenstadt Hellerau entstanden. Nach einer kurzen, intensiven Blütezeit folgte die Umwidmung zur Polizeischule und Kaserne. Im Zuge dieser Transformation wurden Mitte der 1930er Jahre die vier eingeschossigen Wohngebäude an der Ost- und Westseite abgebrochen und durch die Kasernen Ost und West ersetzt. Insbesondere durch die Kaserne Ost wurden die Verbindungen des Festspielhauses mit der umliegenden Gartenstadt Hellerau unterbrochen.

Nach dem Abzug der Roten Armee konnte das Gelände als Experimentierfeld für künstlerischen Austausch revitalisiert werden. Nachdem in den vergangenen Jahren das Festspielhaus und die Kaserne West sukzessive saniert wurden, soll nun auch die Kaserne Ost erneut mit dem Ensemble assoziiert und seiner zukünftigen Nutzung als Produktionsstätte zeitgenössischer Kultur entsprechend umgestaltet werden. Der Entwurf sieht unter anderem vor, den Festspielplatz wieder nach Osten hin an die Umgebung anzubinden. Dafür soll das Foyer der Kaserne als offene Passage gestaltet werden, durch die man aus der Gartenstadt Hellerau direkt auf den Festspielplatz gelangt.

»Was uns interessiert, sind Themen, die unsere Zeit bewegen – das Verhältnis von Stadt und Land, die Digitalisierung, der Klimawandel, demokratische Gestaltungsprozesse, unsere Verbindungen zu Osteuropa… – all das sind Transformationsprozesse in einer komplexen Gegenwart. Diese Komplexität bildet sich auch in den künstlerischen und ästhetischen Praktiken unserer Zeit ab. Wir wollen ein Haus sein, das sowohl zeitgenössische Ästhetiken vorstellt, als auch an den Themen dieser Zeit dranbleibt.«
Carena Schlewitt, Intendantin
Europäisches Zentrum der Künste Hellerau

Vision

Die Kaserne Ost ergänzt das Festspielhaus Hellerau um die für den eigenen Produktionsbetrieb notwendigen Probebühnen und -studios, darüber hinaus soll sie Künstlerresidenzen und Ateliers beherbergen. Den Ausgangspunkt dafür bildet das offene und großzügig gestaltete Foyer, in dem die wesentlichen Inhalte des Projekts zusammenfließen: Die Verbindung des Festspielplatzes mit der umliegenden Gartenstadt Hellerau, die neue, künstlerische Nutzung des ehemaligen Kasernengebäudes und die Betonung seiner besonderen architektonischen Qualität, dem Dachstuhl aus Kroher-Bindern. Diese denkmalgeschützte Dachkonstruktion schafft spezifische Herausforderungen im Umbau des Hauses zu einer Produktionsstätte, birgt aber gleichzeitig auch ein enormes Alleinstellungspotential. Um den Blick auf den Dachstuhl aus Kroher-Bindern schon beim Betreten des Hauses freizulegen, werden im Foyer alle Decken bis unter das Dach entfernt.

Das Foyer wird seinerseits von zwei großen, zweigeschossigen Räumen flankiert, die als dichotom konzipierte Probe- und Studiobühne miteinander verbunden werden. Ihre Gestaltung verweist auf die verschiedenen Phasen künstlerischen Schaffens. Während das Probestudio als »Black Box« auf den Zustand ruhiger Kontemplation und fokussierten Trainings zielt, steht die Studiobühne als »White Box« für einen transparenten und ergebnisoffenen Austausch. Zwischen den beiden Räumen fungiert das offene Foyer als flexibel gestaltbare Schnittstelle, durch die das Publikum sich frei in alle Richtungen bewegen kann.

Modell Kaserne Ost